Adresse:
Turmstraße 43, 89231 Neu-Ulm
Auftraggeber:
Panescu Immobilien GmbH & Co. KG
Beauftragte Leistung:
Städtebauliche Voruntersuchung, Machbarkeitsstudie
Objektplanung LPH 1-8 HOAI
Projektzeiten:
Planung seit 03/2017
BA I: Bauzeit: 04/2021-04/2024
Projektgröße:
BA I: BGF: 7.178 m2
Projektbeteiligte:
Tragwerksplanung:
Dr. Schütz Ingenieure, Kempten
HLS-Planung:
Güttinger Ingenieure, Kempten
Brandschutzplanung:
Anwander, Sulzberg
Bebauungsplan:
Lars-Consult, Memmingen
Fotos:
Conné van d'Grachten
Stadtarchiv Neu-Ulm
Ausgangssituation
Das als ehemaliges Kriegsspital bekannte Gebäude wurde von 1850-54 erbaut. Der ursprünglich als zweigeschossige Defensivkaserne im Zuge der Stadtumwallung der Bundesfestung Ulm konzipierte Festungsbau wurde bereits ab dem Jahr 1873 zum Spital umgenutzt. 1894 wurde die Charakteristik des Festungsbaus auch baulich aufgegeben und das Kriegsspital weiter ausgebaut. Der Gebäudekomplex wurde um zwei weitere Geschosse erhöht und die Scharten der ehemaligen Defensivkaserne durch Fenster ersetzt. Bei einem Luftangriff 1945 brannten die beiden oberen Geschosse vollständig aus und mussten in der Folge komplett abgetragen und durch ein Notdach ersetzt werden.
Der Massivbau aus zwei stumpfwinklig zusammenstoßenden Flügel und nochmals abgewinkelten Kopfbauten mit Backsteinfassade ist seit Jahrzehnten einer anhaltend starken Durchfeuchtung ausgesetzt.
Die ständige Durchfeuchtung verursacht eine zunehmende Schädigung des Bestandsmauerwerks durch Salzbildung, Frostabplatzungen und führt zu einer steten Abnahme der Festigkeit des vorhandenen Ziegelsteines.
Vermutlich wurden im Zuge der Umnutzung zum Kriegsspital ehemalige Verteidigungsgräben südlich des Gebäudes verfüllt. Dabei wurde über die als horizontale Feuchtesperre fungierende Sockelzone aus Naturstein hinaus angeschüttet. Unsachgemäße Ausbesserungsversuche, das Hochwasser von 1998, aber auch noch vorhandene Kriegsschäden haben der Bausubstanz zugesetzt. Um das Baudenkmal dauerhaft zu erhalten, sind dringend Sanierungsmaßnahmen anzuraten, die den Ursachen der Schädigung entgegenwirken.
Bauaufgabe
Das Kriegsspital befindet sich seit 1979 im Besitz der Familie Panescu-Stubner. 2016 konnte die Familie aus Kempten im Allgäu auch das nördlich angrenzende Nachbargebäude erwerben.
Die Familie plant eine grundlegende Instandsetzung des Kriegsspitals. Dabei soll aber nicht nur das Baudenkmal nachhaltig saniert werden, sondern auch das unmittelbare Umfeld zum Kriegsspital eine städtebauliche Aufwertung erfahren.
Angaben zum Grundstück
Das Gelände befindet sich am südlichen Rand des Stadtzentrums Neu-Ulm, Ecke Turmstraße - Memminger Straße in ca. 700m Entfernung zur Donau. Direkt an der Bahnlinie mit Blickkontakt zum neu gestalteten Tief- /Busbahnhof und Glacis Galerie steht das denkmalgeschützte Kriegsspital in besonderer Lage direkt am Eingangsbereich vom Allgäuer Ring zur Innenstadt. Als Bestandteil der Bundesfestung Ulm berührt das überplante Gebiet zudem das Bodendenkmal der Neu-Ulmer Stadtumwallung. Das Plangebiet umfasst mit einer Fläche von insgesamt 11.848 m2 den Bereich der Flurstücke 246/38, 246/6, 246/40 und 245/230.
Städtebauliches Konzept
Ziel des vorgeschlagenen städtebaulichen Konzeptes ist einerseits die maßstäbliche Eingliederung der neuen Baukörper in die bestehende Typologie des Ortes, zum anderen die Stärkung und Aufwertung des Baudenkmals in seiner besonderen Lage.
Das ehemalige Kriegsspital soll im Zuge der geplanten Sanierungsmaßnahmen sein ursprüngliches Erscheinungsbild vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg wieder zurückerhalten. Die Planung sieht dabei vor, das noch immer existierende Notdach, welches die Architektur des Denkmals in nicht unerheblichem Maße beeinträchtigt, durch eine Aufstockung um zwei flachgedeckte Vollgeschosse zu ersetzen.
Auf dem nördlich angrenzenden Baugrundstück soll anstelle des bestehenden eingeschossigen Flachbaus, der momentan ein Spielcasino beherbergt, ein gestaffelter Neubau mit bis zu 8 oberirdischen Geschossen einen Rücken zur Bahnlinie schaffen und dabei zwischen dem aktuell im Bau befindlichen modernen Hochhaus auf dem der Bahnlinie gegenüberliegenden Areal und dem bestehenden Baudenkmal vermitteln.
Die städtebauliche Prägnanz des Ortes erfordert einen sensiblen, architektonisch ansprechenden Lösungsansatz. Die anzustrebende planerische, aber auch bauliche Qualität des Neubaus soll zu gegebener Zeit durch ein konkurrierendes Planungsverfahren (Plangutachten) sichergestellt werden.
Das freiraumplanerische Gestaltungsprinzip basiert im Dialog mit der historischen Prägung und der Typologie und Identität des Ortes. Die Schaffung differenzierter nutzungsspezifischer Freiräume ist entwurfsbestimmend. Hochwertig gestaltete Plätze, Höfe und Wege werden als ortsbildprägende Gestaltungsfaktoren weiterentwickelt.
Der zwischen Spital und geplantem Neubau entstehenden Innenhofsituation kommt dabei besondere Bedeutung zu. Die Gestaltung folgt historischen Muster. Elemente der ursprünglichen Vorplatzgestaltung beim Umbau zum Kriegsspital Ende des 19. Jhd. werden aufgenommen und neu interpretiert. Es entsteht ein streng geometrischer, parkähnlicher Freiraum vom Verweilen und Aufenthalt der Nutzer des Areals in der Symbiose aus modernen Gestaltungselementen und der Charakteristik des ausgehenden 19. Jhd.
Der ruhende Verkehr wird größtenteils unterirdisch und auf bereits vorhandenen Parkflächen südöstlich des Kriegsspitals, sowie an den Platzrändern angeordnet. Der Innenhof zwischen Spital und Neubau selbst bleibt größtenteils verkehrsfrei. Nur Anlieferverkehr soll an den Platzrändern zugelassen werden.
Eine weiterführende Betrachtung sollte die besondere verkehrstechnische Situation am Knotenpunkt Allgäuer Ring – Memminger Straße bewerten. Im Besonderen sind evtl. notwendige Maßnahmen aufgrund des steigenden Verkehrsaufkommens in der Anbindung der Turmstraße an die Memminger Straße als eine der Hauptverkehrsadern zur Innenstadt zu berücksichtigen. Das Konzept sieht momentan zur attraktiveren Anbindung des westlich gelegenen Wohngebiets an die Innenstadt die Möglichkeit einer direkten Fuß- und Radwegeanbindung entlang der Bahnlinie vor mit direkter Anbindung an die Meininger Allee.
Das Plangebiet unterliegt dem Bebauungsplan Nr. 18 der Stadt Neu-Ulm, rechtsverbindlich mit Bekanntmachung vom 18.01.1970. Der Bebauungsplan umfasst das Gebiet zwischen Bahnlinie, Memminger Str., Ringstraße, Schießhausallee und Schützenstraße. Die Planung ist mit den aktuellen Festsetzungen nicht vereinbar. Für das Plangebiet sollte im Rahmen des vorliegenden städtebaulichen Rahmenkonzepts unter Berücksichtigung der aktuellen Stadtentwicklung eine vorhabensbezogene Überarbeitung des Bebauungsplans erfolgen.
Architektonisches Konzept
Kriegsspital
Die geplante Aufstockung des Kriegsspitals um zwei Geschosse bleibt unter der Firsthöhe der bisherigen Bedachung zurück. Dabei soll das untere der beiden neuen Geschosse mit einem umlaufenden Laubengang zurückgenommen werden, so dass zwischen Alt- und Neubau eine deutliche Fuge entsteht. Die Rücknahme schafft eine eine optische Zäsur zwischen Baudenkmal und Aufstockung, so dasss diese die beiden Vollgeschosse der bestehenden Kaserne optisch nicht erdrückt. Das obere der beiden neuen Geschosse folgt den Abmessungen des Denkmals. Die Lochfassade wird in den Proportionen des Bestandes fortgeführt. Moderner Klinker bildet eine moderate Verbindung zwischen Alt und Neu. Die Nachrüstung einer Aufzugsanlage ermöglicht künftig den barrierefreien Zugang zum Gebäude. Das Kriegsspital ist im Sinne von Art. 1 Abs. 2 BayDSchG als Baudenkmal geführt. Außerdem berührt das Plangebiet als Bestandteil der Bundesfestung Ulm das Bodendenkmal der Neu-Ulmer Stadtumwallung. Das Landesamt für Denkmalpflege wurde bereits frühzeitig mit in den Planungsprozess eingebunden. In einer ersten schriftlichen Stellungnahme wird der Planungsansatz aus denkmalfachlicher Sicht vom Landesamt für Denkmalpflege ausdrücklich begrüßt.
Die durch die Aufstockung des Kriegsspitals zusätzlich notwendig gewordenen Stellplätzen sollen ca. 55 Stellplätze unterirdisch angeordnet werden. Durch die Anordnung auf der Südseite kann die ohnehin notwendige Freilegung der ehemaligen Verteidigungsgräben zur Trockenlegung der Backsteinfassade sinnvoll mit dem Bau der Tiefgarage kombiniert werden. Die zum Spital offen konzipierte Tiefgarage soll auch dauerhaft die Austrocknung sicherstellen. Die freigelegte Fassade wird wieder erlebbar. Die Dachdecke der Tiefgarage rückt von der Bestandswand ab. Es entsteht eine deutlich offene Fuge zwischen Denkmal und Tiefgarage.
Die Flächen im Keller-, Erd- und Obergeschoss sind weitestgehend vermietet. Sie beherbergen auf ca. 3.750 m2 Nutzfläche sowohl produzierendes Gewerbe als auch diverse Agenturen. Zusätzlich werden ca. 590 m2 wohngenutzt. Die bisherige Nutzung des Gebäudes soll nach der Sanierung weitestgehend erhalten bleiben.
Die Aufstockung mit ca. 3.685 m2 Nutzfläche dient außschließlich dem Wohnen.
Rückwärtige Bebauung
Das geplante Gebäude auf dem nördlich angrenzenden Baugrundstück aus zwei stumpfwinklig zueinanderlaufenden Flügel unterschiedlicher Höhe soll zum einen zwischen dem modernen 13 geschossigen Neubau auf dem gegenüberliegendem Nachbargrundstück und dem Baudenkmal vermitteln, zum anderen schafft der Baukörper als passive Schallschutzmaßnahme den notwendigen Rücken zur Bahnlinie.
Ziel des gestaffelten, bis zu acht geschossigen Gebäudeteil ist einerseits die Eingliederung in die Typologie des Ortes, andererseit die Schaffung einer eigenständigen und lesbaren Adresse in direkter Beziehung zur Meiniger Allee.
Der westliche Gebäudeteil wird in seiner vertikalen Ausdehnung auf fünf Geschosse zurückgenommen. Als passiver Schallschutz zur Bahnlinie immer noch bemerkenswert, kann dadurch die Verschattung der Abendsonne am Kriegsspital und dem zwischen Denkmal und Neubau entstandenen Freiraum auf ein möglichst geringes Maß reduziert werden und als Nebeneffekt einigen der neu konzipierten Wohneinheiten am Kriegsspital den Blick zum Ulmer Münster ermöglichen.
Der größte Teil der notwendigen Stellplätze (ca. 150 Stk.) soll unterirdisch angeordnet werden. Je nach Aufteilung der Flächen kann ein zwei- oder eingeschossige Tiefgarage entstehen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wird eine eingeschossige Variante bevorzugt.
Die entstehenden ca. 8.520 m2 Nutzflächen werden einer Mischnutzung aus Wohnen und Gewerbe zugeführt.