Auftraggeber:
Kreis- und Stadtsparkasse, Kaufbeuren
Wettbewerb:
Begrenzt offener zweiphasiger Realisierungswettbewerb
- 1. Preis
Projektzeiten:
Planung: 2008
Projektbeteiligte:
Tragwerksplanung:
Dr. Schütz Ingenieure, Kempten
HLS-Planung:
Knecht Ingenieure, Wildpoldsried
Freianlagenplanung
Lohrer-Hochrein Landschaftsarchitekten, München
Städtebauliche Rahmenbedingungen - Freiräumliches Konzept
Das Wettbewerbsgebiet ist geprägt von einem heterogenen städtebaulichen Umfeld. Die bestehenden Punkthäuser nehmen bezogen auf die in der Nachbarschaft vorherrschende zeilenförmige Geschoß- und Reihenhausbebauung eine Sonderstellung ein. Im Westen dominiert die stark befahrene Neugablonzer Straße, nach Osten öffnet sich das Grundstück zum Landschaftsraum der steil ansteigenden Hangkante entlang der Alten Poststraße.
Um die zu sanierenden Gebäude künftig behindertengerecht zu erschließen, wird die Topografie des Grundstücks ausgenutzt: Das vorhandene Gelände-Niveau der Görlitzer Straße und der Alten Poststraße (=ca. EG-Niveau der Häuser) wird in das Grundstück geführt. An der Neugablonzer Straße entsteht eine Böschungskante (1-1,5 m) mit einem schützenden, dichten Hain aus Bestandsbäumen und zusätzlicher Nachpflanzung.
Entlang der östlichen Grundstücksseite erschließt ein abwechslungsreicher Spiel- und Aufenthaltsboulevard das Quartier in Nord-Süd-Richtung mit Schnitthecken zur Fassung gegenüber den Nachbarn und Privatterrassen, langen Sitzbänken und Spielangebote für alle Altersgruppen. An den Anschlusspunkten zur Alten Poststraße und Görlitzer Straße liegen oberirdische Stellplätze sowie im Süden das Nebengebäude für Müll, BHKW und Einfahrt in die Tiefgarage.
Dazwischen stehen die Punkthäuser im ebenen, ruhigen Rasen, Heckenscheiben schützen die EG-Terrassen ohne hermetische Abschottung. Querverlaufende Erschließungswege führen zu den großzügig überdachten Eingangsbereichen und erschließen vom östlichen Spielboulevard die Gebäude barrierefrei. Die beiden südlichen Häuser sind zusätzlich direkt an eine Tiefgarage angebunden.
Baukörpergestaltung - Grundriss
Der bestehende Baukörper wird zunächst auf seine Tragstruktur zurückgebaut, die Loggien abgebrochen. Damit ist die Systemgrenze der Wärmedämmebene definiert. Eine thermisch getrennte Stahl-Beton-Konstruktion schließt die offenen Südecken zu großzügigen schützenden Loggien.
Durch Ausbrechen der Fensterbrüstungen ergeben sich auf einfache Weise größere Fensteranteile.
Der ehemalige Dachboden wird durch einfaches Aufmauern der Seitenwände mit neuem Dachstuhl zum vollen 5. Obergeschoß. Die Fassade aus widerstandsfähigen Metallschindeln wird gleichermaßen über das warme Volumen und die Loggienbereiche gelegt. Dadurch wirkt der Baukörper homogen und skulptural, die unterschiedliche Tiefe der Öffnungen (Fenster bzw. Loggien) verstärkt die plastische Wirkung. Auf ein kostengünstigeres WDVS wird aus Gründen der Nachhaltigkeit verzichtet (exponierte Fassade bei 17 m Höhe!).
Als Referenz an den Ursprungsbaukörper werden Dachneigung und Polygonalität beibehalten.
Der neu formulierte Eingangsbereich ermöglicht durch den Einbau einer einläufigen Treppe ins 1.OG den barrierefreien Zugang zum Aufzug, in den Obergeschossen können die bestehenden Treppenläufe belassen werden. Die vorgeschlagenen Grundrisse bieten unter Berücksichtigung der vorhandenen Tragstruktur zeitgemäße Zuschnitte. Die verschiedenen Typen wurden so entwickelt, dass sie variierend übereinander angeordnet werden können und damit in jedem Haus ein Wohnungs-Mix entsprechend dem tatsächlichen Bedarf möglich wird.
Passivhaus-Standard
Da die Mehrkosten für ein PH gegenüber ENEV -50% sich in der dynamischen Annuitätenrechnung wirtschaftlich darstellen, wird das energetische Sanierungskonzept auf einen Passivhaus-Standard festgelegt. Die vorgeschlagenen technischen Lösungen verfolgen dabei das Ziel, dies möglichst einfach und nachhaltig zu erreichen.
Ein hoher Wärmedämmstandard und eine wärmebrückenminimierte Konstruktion gelten als Grundvoraussetzung.
Wärmeerzeugung und Verteilung
Die Gebäude werden über eine zentrale Mikro-KWK-Anlage mit Wärme versorgt. Die Energie wird in einem BHKW mit einem Stirling-Motor erzeugt, der mit Pellets CO2-neutral befeuert wird.
Pro Gebäude ein Puffer- Kombispeicher ca. 3000 l. Verringerte Leistungsdimensionierung des Wärmeerzeugers durch abwechselnde Beladung der externen Pufferspeicher - "Lastmanagement" - Abfederung der Leistungsspitze. Versorgungsleitungen durch Zweileitersystem im ganzen Gebäude zu den Wohnungungsstationen. Dort findet die Übergabe der Wärmeenergie zu den Heizflächen und durch einen Wärmetauscher zur Warmwasserbereitung statt. Die Kaltwasserleitung wird jeweils direkt an die Wohnungen herangeführt - Wasserzähler in Wohnungsstation, verringerter Zähleraufwand (kein Warmwasserzähler notwendig) Die Räume werden mittels Niedertemperatur-Heizflächen - Hüllflächentemperierung - beheizt, der hohe Strahlungsanteil sorgt für Behaglichkeit bereits bei relativ niedrigen Raumtemperaturen, die Bäder erhalten zusätzlich Badheizkörper zur Komfortsteigerung.
Lüftung
Die Wohnraumlüftung erfolgt über dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung und einer nutzerorientierten Luftmengensteuerung. Die Leitungsführung für die Lüftung erfolgt in der Dämmschicht der Aussenwand. Dadurch kann der Fußbodenaufbau minimiert werden (wegen niedriger Geschoßhöhen wichtig), es sind keine abgehängten Decken notwendig. Aufstellort der Lüftungsanlage einschließlich der Verteilleitungen in der beheizten Hülle. Luftansaugung direkt von aussen, kurze Wege.
aus dem Jurybericht
"Den Verfassern gelingt es mit wenigen Eingriffen in den Gebäudebestand zeitgemäße Wohnungen in angemessener Variationsbreite zu schaffen. Die Tragstruktur wird erhalten und um großzügige Loggien arrondiert. Die Wohnungen funktionieren durchweg, die natürlich belichteten und belüfteten Bäder und Küchen werden ausdrücklich gewürdigt. Der Eingangsbereich wird mit einfachen Mitteln überzeugend neu formuliert. Durch die Auffüllung des Geländes auf EG-Niveau ist eine barrierefreie Zugänglichkeit gewährleistet. Die Umorganisation der Treppe beschränkt sich durch den im Gebäudeinneren liegenden Aufzug auf ein Geschoss. Eine zentralere Anordnung des Lifts zum Treppenbereich wäre allerdings wünschenswert. Das Gebäude erhält eine neue Hülle, deren tiefe Leibungen geschickt für die Anordnung von Schiebeläden genutzt wird. Die Fassade ist ruhig und diszipliniert gestaltet. Die Parkierungssituation wird durch eine kompakte Tiefgarage zwischen den Häusern gelöst. Dadurch wird Raum gewonnen für attraktive Spiel- und Aufenthaltsflächen am Grundstücksrand, während die Grünflächen rund ums Haus vom Nutzungsdruck entlastet werden. Die Gliederung der Freibereiche durch Bänder von immergrüner Kornelkirsche ist gut gelöst. Durch die Abböschung zur Neugablonzer Straße und Nachbepflanzung wird eine gute Aufenthaltssituation im Freibereich erreicht."
Veröffentlichung
Bayerische Architektenkammer (Hg.), Architektenwettbewerbe in Bayern 2006-2009, München, 2011