Adresse:
Kempten
(privat)
Auftraggeber:
privat
Beauftragte Leistung:
LPH 1-8 HOAI
Projektzeiten:
Planung: ab 05/2012
Bauzeit: 03/2013 - 11/2013
Projektgröße:
BRI: 2022 m3
BGF: 1074 m2
Nutzfläche: 426 m2
Wohnfläche: 400 m2
Energiestandard:
KfW-Effizienzhaus 55
Projektbeteiligte:
Fotografie:
Peters Fotodesign, Amerang
www.peters-fotodesign.com
Durchdacht von der Oberfläche bis zur Dämmung
Klar, geradlinig, minimalistisch-elegant, hell, zurückhaltend – so wirkt das eingeschossige kubisch-monolithische Einfamilienhaus „V3“ in einer Wohnsiedlung in Kempten auf den Betrachter. Der Neubau ist aber nicht nur attraktiv: Durch den Einsatz einer hochleistungsfähigen Vakuumdämmung stimmt auch seine Energiebilanz.
Nachdem der Bauherr ein rund 1600 m2 großes Grundstück inklusive Einfamilienhaus im Stil der 60er bzw. 70er Jahre erworben hatte, musste er bald feststellen, dass ihm das Bauwerk weder bautechnisch noch funktional zusagt. Vorgabe an uns vom Bauherrn war: ein ebenerdiger lichtdurchfluteter Entwurf, die Gestaltung der Fassaden in Sichtbeton, ein verglaster Innenhof, ein begehbarer Dachgarten und vor allem die Verwendung der im Unternehmen des Bauherrn hergestellten Vakuumdämmung Vacupor für die Betonfertigteilwände.
Innovatives Energiekonzept
Die Herausforderung war, die Ästhetik und Vorteile einer offenen, lichten Architektur mit den Anforderungen an Energieeffizienz in Übereinstimmung zu bringen. Diese beiden Aspekte schließen sich im Prinzip aber aus. Wir haben zwar mit einer Dreischeibenverglasung geplant, doch der hohe Glasanteil in den Fassaden hätte sich bei sonst konventioneller Bauweise negativ auf die Energiebilanz des Gebäudes ausgewirkt. Daher wurden die großen Architekturbeton-Sandwichelemente des gesamten Hauses und das Flachdach mit einer besonders effizienten Vakuumdämmung versehen. Kombiniert mit einer Fußbodenflächenheizung ergibt sich daraus Niedrigenergiestandard von KfW 55. Zusätzlich tragen die Holzpellets-Zentralheizung und die zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung zu einer positiven Energiebilanz bei. Die Anlage mit CO2-abhängiger Steuerung der Luftwechselrate ist mit einem Erdwärmetauscher ausgestattet, der die angesaugte Zugluft ohne zusätzlichen Energieaufwand temperiert. Durch die hygienische Wasserbereitung und -erwärmung über eine Frischwasserstation wird ein längeres Speichern von größeren Mengen erwärmten Wassers vermieden.
Raumkonzept mit Atrium und Sichtbeton
Der Grundriss des eingeschossigen, barrierefreien Hauses mit seiner klaren Kubatur gruppiert sich um das zentrale, komplett verglaste Atrium. Von dort gelangt überall Licht in die angegliederten Wohnräume, die Individualräume erschließen sich über einen den Innenhof begleitenden Gang. Eine Treppe führt vom Hof zum sonnigen Dachgarten mit westseitiger Gartenterrasse. Hier bietet sich den Bewohnern ein idealer Rückzugsort im Freien mit spektakulärem Blick auf die umgebende Natur. Der kubisch monolithische Baukörper wird gegliedert durch die Fugen der Betonfertigteile, große Fensterfronten und den Volumenausschnitt für den Eingangsbereich. Die Oberflächen der Betonfertigteilwände an den Innen- und Außenseiten wurden unterschiedlich bearbeitet: Außen wurde die Oberfläche des eingefärbten Betons gewaschen und mit eingefärbten farbigen Natursteinzuschlägen versetzt. Diese homogene Wirkung unterstreicht die Hochwertigkeit des Gebäudes. Innen wurden die inneren Oberflächen der Außenwände angesäuert sowie eingefärbt und stehen damit im Kontrast zu den weißen Oberflächen der Innenwände und Decken.
Materialität mit Charakter
Der Baustoff Beton und die anderen verwendeten Materialen wie Eichenholzfenster mit bronzeeloxierten Aluschalen, Eichenholztüren, geglättetem Kalkputz, Tavertinsteinböden und geräuchertes Eichenparkett gewährleisten robuste, zeitlose und gleichzeitig edle, elegante Oberflächen.
Prinzip Thermoskanne
Die Vakuumdämmung, die in die Betonsandwichelemente integriert ist, funktioniert nach dem Thermoskannen-Prinzip: Bei der Isolierflasche wird im Hohlraum zwischen den Glas- oder Stahlwänden ein Vakuum erzeugt, so dass die noch wenigen verbliebenen Luftmoleküle kaum noch Wärme nach außen transportieren können – das Getränk in der Kanne bleibt somit länger heiß oder kalt. Diese hocheffiziente Dämmtechnik hat man auf die Vakuum-Isolations-Paneele (VIP) übertragen. Dabei werden offenporige Materialien, Faserplatten oder Pulver als Stützkörper verwendet, um das Kollabieren des evakuierten Hohlraumes zu verhindern. Die Stützmaterialien werden mit speziellen gas- und wasserdampfdichten metallisierten Kunststofflaminatfolien umhüllt, die nach dem Evakuieren verschlossen werden, damit das Vakuum im Inneren der Umhüllung erhalten bleibt.
Schlanke Wände
Die Vakuum-Isolations-Paneele (VIP) zeigt mit ihrem Bemessungswert der Wärmeleitfähigkeit von ?= 0,007 W/(m*K) laut bauaufsichtlicher Zulassung Nr. Z-23.11-1662 gegenüber herkömmlichen Dämmstoffen eine bis zu sechsfach erhöhte Wärmedämmleistung. Damit erreicht eine nur 20 mm starke Vakuum-Isolations-Paneele dieselbe Dämmleistung wie konventionelle Materialien mit einer Dämmstärke von bis 120 mm. Neben der guten Dämmeigenschaft hat das auch den Vorteil, dass die Außenwände bei dem Einfamilienhaus insgesamt nur 41 cm stark sind, was natürlich auch einen zusätzlich Raumgewinn bedeutet. Hätte man den erreichten U-Wert nur mit expandiertem Polystyrol der Wärmeleitfähigkeitsgruppe 040 erzielen wollen, wäre die Wandstärke insgesamt auf 65 cm angewachsen, was einer Zunahme der Außenwanddicke um 58,5 % entspricht. Letztendlich beträgt der Gesamtwärme-Durchlasswiderstand der 41 cm starken Betonwand mit integrierter Vakuumdämmung 8,77 (m²×K)/W. Daraus ergibt sich eine Wärmedurchlässigkeit (U-Wert) von 0,114 W/(m²×K), und die liegt damit noch weit unterhalb des bei Passivhäusern geforderten Standards von 0,15 W/(m²×K).
Angenehmes Wohnklima auch im Sommer
Das begrünte Flachdach wurde ebenfalls vollständig mit vier Lagen VIP á 20 mm gedämmt. Damit konnte die unzureichende Dämmleistung der Glasflächen ausgeglichen werden, so dass der Neubau insgesamt den KfW-55-Standard erreicht. Die Vakuumdämmung vermeidet aber nicht nur Wärmeverluste, sondern hält dem Bauherrn zufolge auch die Sommerhitze draußen, so dass die Innenräume angenehm temperiert bleiben. Die kontrollierte Wohnraumlüftung, das temperaturausgleichende Gründach und die außenliegende Verschattung tragen zusätzlich dazu bei, dass sich der Baukörper nicht übermäßig aufheizt.
Autor: Ute Latzke
Veröffentlichungen
Casamia Heft 01/2016
Grundriss Atlas Einfamilienhaus, Katharina Matzig / Wolfgang Bachmann, Callwey, 2016
opusC Ausgabe 05/2015
Die besten Einfamilienhäuser aus Beton, Andreas K. Vetter, Georg D.W. Callwey GmbH & Co. KG, 2017
architekturforum Allgäu e.V., Baupreis Allgäu 2018 - Die Projekte