Umbau und Generalsanierung Grundschule Kottern-Eich, Neubau Mehrgenerationenhaus und Einfachsporthalle in Kempten, Realisierungswettbewerb, 1. Preis und Zuschlag nach VOF-Verfahren

    Auftraggeber:

    Stadt Kempten, Hochbauamt

    Wettbewerb:

    Realisierungswettbewerb - 1. Preis 02/2009, Zuschlag nach VOF-Verfahren

    Projektbeteiligte:

    Landschaftsarchitektur:

    realgrün Landschaftsarchitekten, München

     

    Tragwerksplanung:

    Ingenieurbüro Hartmann und Walter

     

    HLS-Planung:

    Ingenieurbüro Hirdina, Betzigau

     

    Elektro-Planung:

    Ingenieurbüro Gutmann, Kempten

     

    Energiekonzept - Wettbewerb:

    Herz und Lang, Weitnau

     

    Passivhaus-Planung:

    Ingenieurbüro Schwärzler, Oberseite

     

    Brandschutzkonzept:

    IB Sonntag, München

     

    Fotografie:

    Rainer Retzlaff,

    Niedersonthofen

    Nutzung mischen

    Die Erweiterung des in die Jahre gekommenen, denkmalwürdigen 20er Jahre-Schulhauses bewahrt die städtebaulich dominante Stellung des schonend sanierten Altbaus und schafft gleichzeitig Freiräume an welchen die neuen Nutzungen angelagert sind. Der Nutzungsmix Schule, Mehrgenerationenhaus mit Bürgertreff und Turnhalle, aber auch die gemeinsamen Freiräume erzwingen Begegnung aller Nutzergruppen und sind wichtiger Bestandteil des sozialen und pädagogischen Konzeptes. Als Solitäres Gebäude präsentiert sich der Putzbau der Schule trotz dem neuen Anbau. Mit zurückhaltender hölzerner Hülle bildet der Neubau den Rücken für die gemeinsamen Freianlagen.

     

    Ziele

    Das darin enthaltene Mehrgenerationenhaus soll als Kommunikationspunkt zwischen Jung und Alt vermitteln, die Integration von Ausländern und Aussiedlern fördern und Freizeitangebote für alle Altersgruppen bieten. Durch Zusammenführen von Schule, Mehrgenerationenhaus und Sporthalle, von Mittagstisch in Verbindung mit Ganztagsklassen und Bürgertreff kann sich eine offene Nachbarschaftsschule entwickeln. 

     

    Kontext, Leitidee

    Das vom Zentrum entfernt liegende Quartier der Stadt Kempten, ein altes Fabrik- und Arbeiterviertel war nach dem Niedergang der Industrie längere Zeit von der Entwicklung der Stadt abgehängt und drohte zu einem sozialen Brennpunkt zu degradieren. Rührige Vereine und eine Städtische Initiative wollen zu einer neuen Aufwertung des Quartiers beitragen. In diesem Kontext entstand die Idee, einen Bürgersaal und Vereinsräume mit der dringend erforderlichen Schulerweiterung und der lange überfälligen Einfeldsporthalle für Schul- und Vereinssport zu verbinden. Der realisierte Siegerentwurf des Architektenwettbewerbes integriert die Baumasse schonend in das von Doppel-, Reihen-, und Mehrfamilienwohnhäusern dominierte Umfeld, welches auf einer Seite von Brachen und Gewerbebauten begrenzt wird.

     

    Städtebau, Freiraum

    Der Leitidee folgend besetzt der neue Baukörper die der Öffentlichkeit abgewandten Grundstücksteile. Das alte, denkmalwürdige Schulgebäude bleibt an der den Ort prägenden Ecke Friedrich-Ebert- Straße / Gebhartstraße an einem kleinen Vorplatz mit Bushaltestelle freigestellt. Die neue Bebauung formt gemeinsam mit dem alten Schulhaus einen raumbildenden Rücken für das offene Zusammenspiel der flexibel nutzbaren Freibereiche im langgestreckten straßenbegleitenden Freiraum. Der vorhandene Baumbestand wurde behutsam mit wenigen Neupflanzungen als kleiner vielfältig nutzbarer Quartierspark weiterentwickelt und mit Spiel- und Aufenthaltsbereichen ausgestattet. Die südlich angrenzende Wohnbebauung wird durch die Baukörperanordnung vor Lärmemissionen geschützt.

    Mit dem vorgeschlagenen freiräumlichen und städtebaulichen Konzept sollen die erklärten Ziele des Mehrgenerationenhauses bereits im Außenraum als Schnittstelle zum Quartier erreicht werden, denn die Integration findet schon „auf der Straße“ statt. Im Gegensatz zu einer streng separierenden Anordnung von Pausenhof, Quartierspark mit Spielplatz und Freisportanlagen werden die Freibereiche als Aufweitung des Straßenraums zu einem offenen, konfliktfreien Aufenthaltsort. Durch die sich überlappenden Nutzungen und die Offenheit entsteht Kommunikation, aber auch soziale Kontrolle. 

     

    Organisation, Materialisierung

    In dem sanierten Putzbau sind mit Ausnahme des Dachgeschosses die klaren Grundrisse nicht verändert. Charakteristische Bauteile aus rotem Klinker und der - wie früher auch - spielerische Umgang mit Rhythmus und Einbausituation der Fenster erhalten das Wesen des Gebäudes trotz 24cm Vollwärmeschutz. Die Hülle aus grobem Kellenwurfputz mit 5mm Korn und ein offenporiges hydrophiles Anstrichsystem zur weitgehenden Vermeidung von Algenbildung unterstreicht die gefühlte Robustheit.

    Der angrenzende Kopf des Neubaus enthält das neue Treppenhaus, Gruppenräume und Mittagsbetreuung. Hier geht im Innenraum der streng strukturierte Grundriss der Schule in eine freie Abfolge von Aufweitungen und Verengungen mit angrenzenden Räumen unterschiedlichster Größe über. 

    Im nachfolgenden eingeschossigen Bau befinden sich als Bindeglied aller Bereiche Mittagsbetreuung und Vereinsräume, die sich zu einem Festsaal für 225 Personen verbinden lassen. Hier schließt die Turnhalle an, nutzbar auch als Aula für über 570 Besucher. Sie nimmt einen vorhandenen Geländeversatz auf und tritt daher nicht so hoch in Erscheinung. Auf ihrem Dach ist der bei Kindern und Jugendlichen sehr gut angenommene Allwetterplatz in Aussichtslage integriert. Der Sportplatz kann auch vom Obergeschoss des Schulgebäudes aus erreicht werden und dient als besondere Freifläche für alle Arten von Schulveranstaltungen, aber nachmittags auch als beliebter Bolzplatz der Nachbarschaft. 

    Die Wandflächen der Neubauten setzen sich mit der lebhaften hölzernen Gestaltung aus sägerauhen unterschiedlich tiefen Latten mit offener Fuge stark zum Putzbau ab. Der vorvergraute Nadelstreif erfährt starke plastische Strukturierung und Gliederung von den tief in weißen Leibungen sitzenden Fensteröffnungen. Im wechselnden Licht stellen sich differenzierte Erscheinungen der Fassade ein, eine gestalterische Kleinigkeit, die eine zweite Betrachtungsebene und Raum für Interpretationen bietet.

     

    Bauweise, Energiekonzept

    Die Stadt Kempten wurde 2015 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Städte Mittlerer Größe ausgezeichnet. Schon seit einigen Jahren werden hier städtische Gebäude grundsätzlich in Passivhausbauweise erstellt. Bei Sanierungen wird angestrebt, wenigstens die sanierten Bauteile der Gebäudehülle auf den entsprechenden Standard zu ertüchtigen. Die Ziele wurden auch in diesem Projekt umgesetzt. Die tatsächlichen Energiekennzahlen ermittelt von der Abteilung Betriebstechnik/Energiemanagement der Stadt Kempten aus dem Verbrauch des Jahres 2016 für das Gesamtprojekt mit Alt- und Neubau sprechen für sich: 20 kWh pro Quadratmeter BGF und Jahr wurde für Wärmeerzeugung aufgewendet. Die projektierten Verbrauchswerte haben sich bewahrheitet.

    Der Neubau ist als Hybrid zwischen einem reinen Stahlbetonbau im Inneren und Stahlbetonskelett mit Holz-Außenwänden erstellt worden. Robuste Konstruktion und hohe Speichermasse waren Gründe für die Materialwahl, alle Außenwände aus vorgefertigten Holzständer-Elementen wurden wie in ein „Regal“ aus Stahlbetondecken und Stützen gestellt. Lediglich Anschlüsse der Elemente an die Stützen und Decken wurden ergänzt. Die Außenwände haben die sehr große Dämmstärke von 30cm um die Schwächung der Dämmung vor Decken und Stützen auf 18cm und auch die großen Verglasungen nach Norden zu kompensieren. Die Orientierung des Gebäudes erklärt sich hier nicht aus dem Wunsch nach Energieeinsparung, sondern allein aus städtebaulichen und funktionalen Gründen. Hier überwog die Orientierung zu Straße, Spielplatz und Schulhof zur Schaffung des gemeinsamen Außenraumes alle anderen Überlegungen, die solaren Gewinne sind entsprechend mäßig.

    Die Wärmeerzeugung erfolgt mit einem Pellets- Brennwertkessel im Altbau. Die Wärmeübertragung ist im Altbau mit konventionellen Heizkörpern in den alten Nischen gelöst, lediglich im Keller sind als Vorsichtsmaßnahme gegen Feuchte in den Außenwänden beheizte Kupferrohre im Wandsockel eingeschlitzt und verputzt worden. Der komplette Neubau ist mit einer Fußbodenheizung unter Lino und Industrieparkett ausgestattet.

    Die Lufthygiene wird durch zwei zentrale Lüftungsanlagen sichergestellt. Im Altbau befindet sich die Anlage im kalten Dachspitz, Frischluft quillt in den zentralen Treppenraum und bei im Normalbetrieb offen gehaltenen Brandschutztüren durch Foyers und Flure, dann per Überströmöffnungen in die jeweiligen Klassenräume und Gruppenräume der Erweiterung. Dort wird jeweils in eigenen Kanälen die Fortluft zur Wärmerückgewinnung im Dachspitz abgezogen. Ein Ähnliches Prinzip versorgt die Turnhalle mit Frischluft über die Geräteräume, mit Abluft über Umkleiden und WC-Anlagen. Das Konzept ist wirtschaftlich und spart eine Vielzahl von Luftkanälen. Nur der Mehrzwecksaal wird als eigene Einheit mit Zu- und Abluft behandelt.

     

    Veröffentlichung

    Ausstellung Architektenwettbewerbe in Bayern ByAK

    Bayerische Architektenkammer (Hg.), Architektenwettbewerbe in Bayern 2006-2009, München, 2011

    Bayerische Architektenkammer (Hg.), Architektouren 2015, München 2015

    BDA Bayern, thomaswechspreis 2015, architekturpreis für Schwaben, Augsburg 2015

    EnEV Baupraxis Heft 3/2018

    Bild zum Projekt Wettbewerb Grundschule Kottern-Eich mit Turnhalle und Mehrgenerationenhaus
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