Auftraggeber:
Gemeinde Wolfertschwenden, vertreten durch die erste Bürgermeisterin,
Frau Beate Ullrich
Wettbewerb:
Nichtoffener Realisierungswettbewerb nach RPW 2013 - 1. Preis
Projektbeteiligte:
Freianlagenplanung:
Realgrün Landschaftsarchitekten, München
Tragwerksplanung:
IHW Ingenieure, Kempten
HLS-Planung:
Knecht Ingenieure, Wildpoldsried
Elektro-Planung:
Ingenieurbüro ib-s elektrotechnik, Kempten
Brandschutzplanung:
Ingenieurbüro Anwander, Sulzberg
Fotografie:
Rainer Retzlaff, Niedersonthofen
Visualisierung:
Killius Ernst Architekten, München
Ausgangslage
Im Zuge der geplanten Selbständigkeit der Gemeinde Wolfertschwenden wird ein Rathaus in geeigneter Größe benötigt. In umfangreichen Voruntersuchungen hat die Gemeinde zunächst versucht, das erforderliche Raumprogramm im auf dem Grundstück stehenden ehemaligen Molkereigebäude zu realisieren. Dieses Gebäude war seit Aufgabe der Molkereinutzung im Jahr 1983 zahlreichen Nutzungsänderungen und Umbauten unterworfen, was insbesondere die Westfassade nachhaltig beeinträchtig hat. Nachdem die Entwurfsplanung mit zugehöriger Bestandsuntersuchung aufgezeigt hatte, dass sich die gewünschte Nutzung nicht realisieren läßt, lobte die Gemeinde Wolfertschwenden im Mai 2015 einen Realisierungswettbewerb für den Neubau eines Rathauses an gleicher Stelle aus.
Städtebauliches und landschaftsarchitektonisches Konzept
Ziel des vorgeschlagenen städtebaulichen Konzepts ist einerseits die Eingliederung des neuen Baukörpers in die bestehende Typologie des Ortes, zum anderen die Schaffung einer eigenständigen und lesbaren Adresse für das neue Rathaus.
Der neue Baukörper übernimmt die Ausrichtung der Nachbargebäude und wird unter Berücksichtigung der möglichen Abstandsflächen im Norden des zur Verfügung stehenden Grundstücks situiert. Das Rathaus präsentiert sich ortstypisch giebelständig an der Hauptstraße. Nach Süden wird eine großzügige Platzbildung ermöglicht, die plastisch gegliederte Eingangsfassade wird dadurch von Süden kommend freistellt.
Das vorgeschlagene Gestaltungskonzept der öffentlichen Freiräume basiert auf einer intensiven städtebaulich freiraumplanerischen Auseinandersetzung mit der historischen Prägung und der Typologie und Identität des Ortes. Die Grundlagen der vorliegenden Rahmenplanung finden besondere Berücksichtigung. Die Herstellung differenzierter nutzungsspezifischer Freiräume ist entwurfsbestimmend. Hochwertig gestaltete Plätze, Höfe, Gassen und Wege werden als ortsbildprägende Gestaltungsfaktoren weiterentwickelt.
Dem neu entstehenden Rathausplatz kommt dabei besondere Bedeutung zu. In Nachbarschaft zum sakral geprägten Umfeld der Kirche St. Vitus entsteht hier ein neues gemeindliches Zentrum an der Hauptstraße in Wolfertschwenden. Fane und profane Strukturen treten in einen spannungsvollen Dialog. Der Molkereiweg wird im Bereich des Rathausneubaus stadträumlich in die Platzgestaltung miteinbezogen.
Ein mächtiger Ahorn als Rathausbaum und der Rathausbrunnen im Vorfeld des Rathauses markieren und prägen den Rathausplatz im innerörtlichen Gefüge. Sie stehen in geometrischer Beziehung zur Foyerzone und bilden den „Vorraum“ des neuen Rathauses. Ein Sitzmodul lädt zum Verweilen ein. Für die Herstellung der Platzfläche wird ein gesägtes, gehfreundliches großformatiges Granitpflaster vorgeschlagen.
Der ruhende Verkehr wird an den Platzrändern und hinter dem Neubau angeordnet. Die Platzfläche selbst bleibt verkehrsfrei. Bei Veranstaltungen können die Parkierungsflächen zur freien Bespielung miteinbezogen werden. Die nördlichen angrenzenden Freiflächen werden gärtnerisch gestaltet und somit integraler Bestandteil der umliegenden von Gärten geprägten Siedlungsstruktur.
Architektonisches Konzept
Der Baukörper wird im Kanon der für Wolfertschwenden typischen Merkmale hinsichtlich Proportion und Materialität als zweigeschossiger Putzbaukörper mit Lochfassade und Satteldach vorgeschlagen. Der öffentlichen Bedeutung des neuen Rathauses entsprechend werden diese klassischen Gestaltungsmerkmale überlagert mit einer plastische Gliederung des Gebäudes zum Rathausplatz hin mit einem überdecktem Eingangsbereich. In Verbindung mit spannungsreichen Asymmetrien in Dachform und Grundriss sowie den großformatigen, ruhig in die Putzflächen gesetzten Fensteröffnungen entsteht ein Gebäude, das seine öffentliche Funktion und Bedeutung erkennbar macht.
Grundrisskonzept
Der Eingang mit Windfang und Aufzug erschließt im Erdgeschoss direkt das Foyer mit angeschlossenem Bürgerbüro. Die Amtsräume bilden einen eigenen, vom Foyer abtrennbaren Bereich. Der Sozialraum mit zugehörigem Sanitärbereich ist sowohl vom Bürgerbüro als auch vom Treppenhaus aus erschlossen. Gegenüber dem Haupteingang führt das Treppenhaus in das großzügige Foyer im Obergeschoss. Der Sitzungssaal orientiert sich zur Hauptstraße und zum Rathausplatz. Gemeinsam mit dem großzügigen Foyer, der Teeküche und dem zugehörigen Sanitärbereich ergeben sich vielfältige öffentliche Nutzungsmöglichkeiten. Bürgermeisterzimmer, Trauzimmer / Besprechungsraum und Vorzimmer bilden eine zusammenhängende funktionale Einheit. Dabei erhält das Bürgermeisterzimmer eine angemessene Orientierung auf den Rathausplatz. Alle funktionalen Bereiche sind so organisiert, dass sie unabhängig voneinander genutzt werden können.
Tragwerk und Konstruktion
Das Gebäude wird in einfachen Konstruktionen und mit regional verfügbaren Baustoffen als Massivbau geplant. Gründung, Unterkellerung und Geschossdecken sind als Stahlbetonkonstruktion vorgesehen. Die Außenwände werden in monolithischer Ziegelbauweise mit Lochfassaden errichtet, die Fassade erhält eine robuste Putzoberfläche, weitgehend ohne WDVS. Das Dachtragwerk wird aus vorgefertigten Holz-Hohlkasten-Elementen konstruiert und mit einer ortstypischen Ziegeldeckung belegt.
Energie und Ökologie
Der angestrebte Energiestandard, EnEv -50%, wird erreicht durch die wärmebrückenfreie Gebäudehülle mit Thermoplan-Ziegeln und 3-fach-Isolierglas-Fenstern, ergänzt durch robuste und einfache Technik. Die Wärmeversorgung erfolgt durch Anschluss an die Nahwärmeversorgung, die Räume werden durch Bauteiltemperierung des Fußbodens beheizt. Um einen hohen Raumluftkomfort sicherzustellen, wird eine zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung vorgeschlagen, die im Dachraum über dem OG-Sanitärbereich untergebracht wird.